Der Ochse und das Bauerndirndl
Eines schönen Tages wurde es dem Märchenprinzen viel zu langweilig in seinem Schloss und er beschloss, sich bei einem Bauern als Ochse zu verdingen.
Geduldig, kraftvoll und ausdauernd erledigte er die schwere Feldarbeit und trotz der täglichen Entbehrungen fand der Ochse bald viele Freunde und er war zufrieden. Da war auch die Tochter des Bauern, die meistens die Schweine hütete, aber ab und zu ging sie auch mit dem Ochsen auf das Feld, legte ihm den Pflug an und half ihm bei der Arbeit. Der Ochse war immer sehr glücklich, wenn das Bauerndirndl mit ihm arbeitete und oft gingen die beiden stundenlang das Feld auf und ab, unterhielten sich über Gott und die Welt und es herrschte eine friedvolle Harmonie, die beide sehr genossen.
Manchmal war der Ochse traurig, wenn das Bauerndirndl wieder zurück zu den Schweinen musste, aber er hatte auch oft das starke Gefühl, dass das liebe, schlaue und ehrliche Bauerndirndl genau wusste, dass er in Wirklichkeit ein Märchenprinz ist. Sie sagte sogar öfter, dass sie den Ochsen liebt, aber immer wenn der Ochse sie darauf ansprach, verleugnete sie sich und das Gesagte. Manchmal brachte sie ihm auch ein frisches Büschel Heu mit; das freute den Ochsen so, dass er sie am liebsten küssen wollte, aber er wusste auch, dass nur ein inniger Kuss von ihr seine Rückwandlung in den Märchenprinz ermöglichte.
Oft war das Bauerndirndl traurig und niedergeschlagen, wenn sie die Schweine hüten musste, aber sie erkannte nicht, dass es die Schweine waren, die sie durch ihre Lügen und durch ihr hinterlistiges Verhalten oft soweit brachten, dass sie krank und lustlos wurde. Dabei waren alle anderen Bewohner des Hofes, ob Tier, ob Mensch, immer wieder begeistert, wenn sie mit ihrem spärlichen Arbeitsgewand über den Hof ging, die Leute freundlich grüsste und ihr Lachen und ihre kindliche Begeisterung sogar den missmutigen Grossvater erheiterten. Ab und zu waren aber die Schweine so böse zu ihr, dass sie sogar den Ochsen, den sie sonst immer liebevoll streichelte, mit dem langen Haselnussstock schlug. Der Ochse schüttelte dann nur den Kopf und war sehr traurig.
Einmal war es so schlimm, dass der Ochse die ganze Nacht weinte und als sie ihm am nächsten Tag den Pflug aufhalsen wollte, warf der Ochse den Pflug ab und verschwand im Wald. Weinend und gekränkt ging das Bauerndirndl zu den Schweinen, die sogleich dem Ochsen die Schuld an ihrer Traurigkeit gaben. Einige Tage später traf die Schweinehorde den Ochsen auf einer Waldlichtung und der Anführer der Rotte sprach gleich übelste Verleumdungen dem Ochsen gegenüber aus. Der Ochse senkte sein Haupt, scharrte mit den Voderhufen im lockeren Waldboden und brüllte, dass die Schweine schnell die Flucht ergriffen und sich in ihren Schlammlöchern versteckten. Es wurde Winter und bitterkalt und das Bauerndirndl wurde wieder einmal krank. Die Waldgeister wussten dies, sagten es dem Ochsen und banden ihm eine Waldgeistmedizin an sein rechtes Horn.
Der Ochse machte sich auf den Weg und stand jeden Morgen am Rand des Weges, den das Bauerndirndl zu ihrer Arbeit nahm. Er wollte ihr die Waldgeistmedizin geben, aber das Bauerndirndl, sehr traurig und gekränkt, hatte Angst, dass der Ochse sie verletzen würde, wenn sie die Medizin von seinem Horn löste. Der Ochse wusste das, trotzdem war auch er sehr gekränkt, dass sie seine Hilfe nicht annahm, und das, obwohl er immer brav den Pflug gezogen hat und er dem Bauerndirndl immer bei ihrer schweren Arbeit half. Aber Ochsen sind ausdauernd und der Märchenprinz in ihm beflügelt ihn jeden Tag wieder am Wegesrand zu stehen, um dem Bauerndirndl die Waldgeistmedizin zu geben, deren Ingredienzen viel Klarheit verschaffen und viel Kummer vertreiben würden...
Helmut Mayer