Ratschläge
Ich schau mir das nun schon eine ganze Zeit lang an... yaddayaddayadda. Gross sollen sie sein, dünn sollen sie sein, klug sollen sie sein, sensibel, mutig, selbständig. Attraktiv. Und Ihr hängt hier rum und heult, "sind wir nicht, sind wir nicht." Wird schon stimmen. Seid Ihr nicht. Okay. Woran kann man was ändern? An gross: nein. An dünn: kommt drauf an, meistens schon. Wenn Ihr an Eurer Figur leidet, fresst weniger und geht zum Sport. Klug? Z.T. Lesen hilft. Wer mehr liest, hat mehr zu sagen. Also Glotze ausstellen. Sensibel? Beobachten. Und, wiederum, lesen. Z.B. Romane von Frauen lesen. Mutig? Kommt drauf an. Selbständig? Ganz bestimmt. Das lernt sich. Wenn nichts hilft, dann hilft vielleicht eine Therapie. Ich bin in Analyse, Klaus K. hat sich therapieren lassen (und schaut, wie nett er da rausgekommen ist), Walter G. bestimmt auch (noch so'n Herzchen -- aber er hat 'ne Frau, und anscheinend eine, die ihm gefällt.)
Ich hab überlegt, die letzten fünf Männer, die mir gefallen haben, von meinem grossen schönnen dünnen klugen Mann mal abgesehen. Einer war einen halben Kopf kleiner als ich und so neurotisch, dass Ihr alle zusammen nicht dagegen ankönntet. Ein anderer sass heut bei mir in der Küche, weder gross noch dünn, und meinte, "Du glaubst gar nicht, wie unbegehrbar ich mir vorkomme." Dabei find ich ihn so sexy. Hab ich ihm auch gesagt. Und zwar trotz Halbglatze und Plauze. Weil er Frauen mag, und zwar wirklich. Und weil er zwei Jahre lang in Madagaskar im Dschungel gelebt hat und mir was erzählen kann, was ich noch nicht weiss. Ein dritter, 1,85, aber ziemlich speckig. Rotunterlaufene Augen, vom Suff, von der Schlaflosigkeit, von den schwarzen Hunden, die an seiner Tür heulen. Aber er schreibt wie ein Engel, und er, wie Fall zwei, liebt Frauen -- und zwar alles an ihnen, das Konzept Frau. Und sowas spür ich, und viele andere Frauen auch. Nummber vier, kurz, rund, behaart wie ein Bär, belesen wie fünfzig Mann, voll von Geschichten von Russland und Frankreich und England, voll von Gedanken aus 2000 Jahren Philosophie und LIteratur und Kunst. Wenn ich nicht verheiratet wär, würd ich mit jedem einzelnen sofort ins Bett hüpfen, an die See fahren, whatever.
Und mir ist das Aussehen nicht egal. Ich fahr auf schöne Männer ab, guck sie mir auf der Strasse an, usf usf. Und trotzdem. Worum es mir geht, ist nicht, Unfug wie "das Äussere zählt nicht" abzusondern. Klar zählt es. Aber was mehr zählt ist, dass Ihr aus dem, _was_ Ihr habt, was macht. Vor allem, dass Ihr Euch selber interessant seid. Wenn hier jemand (Ingo?) erzählt, was er arbeitet, sei ihm egal, ist das für mich der grösste Abtörner überhaupt. Wer sein Leben derart verschleudert, ist für mich ein Null-Kandidat.
Zwei Sachen, die auf viele Frauen unwiderstehlich wirken: Klavier spielen können und Geschichten erzählen können.
Gereist haben. Gelesen haben. Sachen erlebt haben. Und nicht gierig sein. Gier ist das allerschlimmste. Beggars can't be choosers, heisst es auf Englisch, und eine Frau, die angebettelt wird, wird immer denken, der nähme doch jede. Und meistens hat sie recht.
Wenn Ihr eine Frau trefft, seht sie Euch an. Lange und gründlich. Stellt viele, viele Fragen. Erzählt Ihr was. Lest Ihr was vor. Zeigt Ihr was, was sie nicht kennt. Und wartet ab.
Silke-Maria Weineck · Gepostet im Juni 1997